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王璜生:与线融合

王璜生

WANG HUANGSHENG


由德国哈根奥斯特豪斯美术馆,德国波恩当代艺术馆共同主办,德国柏林德中文化交流基金会,3812画廊(伦敦/香港),中国广州大典展览有限公司协办,德国哈根奥斯特豪斯美术馆馆长泰丰·贝尔京(Tayfun Belgin)博士策划,德国波恩当代艺术馆创始人任戎执行,中国艺术家王璜生在德国的大型装置个展《王璜生:呼/吸》即将于8月15日在德国哈根奥斯特豪斯美术馆(Osthaus Museum Hagen)开幕,此次展览将集中呈现王璜生最新影像,摄影系列作品《风之痕》《呼/吸》,以及大型装置作品《缠2》《界》和多件水墨系列等。

德国哲学家汉斯-乔治-伽达默尔(Hans-Georg Gadamer 1900-2002)有一个重要思想:“事实上,历史不属于我们,我们属于历史。”

从早期的水墨作品到装置艺术,王璜生的作品为我们展示了截然不同的艺术技巧和视觉语言的结合,而这些结合似乎都致力于共同的主题。初见这些作品时,会让人想要破译这些因他的作品而产生的无数问题。作为艺术史教授、美术学院的导师以及美术馆馆长,王璜生的作品有几个基本的共同点。据我们所知,比如在2013年他与Chen Yang和David Euliot参加的采访中,他表示他将线描和书法视为中国画的基础,这也是他个人绘画创作的基础。同样作为他绘画基础的,还有作品中的空间关系。他创作这些作品的灵感来源和创作动力通常来自于中国的历史、文化、传统和现实。这位艺术家总是回归和徘徊在历史和他自己的传统之中。

长远看来,我们能够从王璜生的作品里看到上文中阐述的那些元素。但在这次展览中,我们关注的焦点不是传记式地记录这些静止的时刻,而应是展示现象本身。在其2006年创作的作品中,我们发现了一个基于中国传统水墨画的形象。在这幅作品中(图1),艺术家给我们呈现了由红色罂粟花组成的两部分作品,花朵向上生发的花茎是这幅画的主角。在画的左侧是一朵花,右侧是两朵红花和一个黑色的花苞。这些花从有茂密分支的灌木丛中伸出来,而地面则沿着画面的下边缘延伸。在背景中我们看见的若隐若现的灰色区域则代表着地平线。

在这幅作品中我们看到的是自然中蔓延着的生机,而这种生长是一种自然现象,是不会停止的。这一时期关于“生长”的作品体现了王璜生对这类结构浓厚的兴趣。自然而然的,艺术家便创造出了这种全景的构图方式,这也可以从2008年的作品中体现出来。在这些风景画中,画家以柔和的色调刻画出了生动的自然世界。《向日葵》(图2)就是一副将所描述形象上升到抽象水平的出色作品。从自然界中我们知道的是,向日葵以阳光为方向,头部向左转动,但是向日葵头部从一侧转动到另一侧的节奏是流动的。并且,漂浮在这幅画上的向日葵,它们的茎与它们所生长的土地并没有直接连接在一起。如此,这幅画获得了一种音乐般令人陶醉的品质。

从2011年开始,王璜生继续绘制着这些抽象线条,从而打破了如云般变幻莫测的具象世界。从2011年创作的《游·象》系列中,我们看到了一个图像世界,而这个图像世界需要一种新的观看方式。这是一个完全用线条绘制、不需要其它的世界,而这些线也仅是线本身。而这样的自我指称让王璜生升华到一个无限的境界中。

传统水墨画训练让他有机会熟练地创作对他来说是全新维度的作品,而这种创作也已各种形式持续至今。最初,由线条组成的缠绕结构被放置在画面中心,后来这些线条在不同作品中不断发展变形。有时线条占据了整个画面空间,有时又在画面中若隐若现。在王璜生接下来几年的创作中,他将这种自由的线延续了下去,但有时会有一些色彩的强调——水墨有时卷曲环绕,不断加重,有时又在背景处,仿佛是一种云状结构。浮动的、自由的线的舞动是本系列的中心主题。更令人印象深刻的是他于2011年创作的作品(图3),画家将他线的世界集中在件作品中——画面中的线是一笔画就的——而空中悬浮的缠绕线性结构与地面投射阴影相互呼应着。

2012年创作的《线·象》系列(图4)也展现了线的自由表达,但这时的线则具有了完全不同的特征,且出现了现实的报纸媒介。不同颜色图层的叠加(红。蓝、黄、绿)让这些中国印刷的报纸变得难以阅读,最多能看清标题。线条和印刷文字的相互作用实在是让人非常激动,因为从某种意义上来说这两种媒介并没有完全融合在一起。报纸在新闻和报道中是一个自立的部分,而线是自然美学的设计元素。通过这个系列作品,艺术家打开了一个与传统相呼应的二元结构,流动和静止的对比也构成了令人兴奋的视觉世界。

王璜生的艺术造诣在他2014年的《游·象》(图5)系列中尤为显著。从一个画面到另一个画面,线条的结构显示出了一种重力性,故而可以说这系列作品是对宇宙空间的一种洞见。虚拟宇宙的尘埃似乎已经渗透到水墨画世界中,线条上的小深色点让线条变得可见。王璜生用一种令人印象深刻的方式——用带刺的铁丝网做出三维作品,这突破了虚拟宇宙中那漂浮不定的光芒(图6)。

从2014年至今,王璜生装置作品的特点是体积大,有时还添加了噪音元素。这里展示的带刺铁丝网,第一眼就足以让人震撼。人类历史上有无数暴力事件中都出现了带刺的铁丝网,对于这一材料的象征意义并不需要做过多解释。这种视觉武器不仅仅出现在欧洲——为了防止难民进入这块大陆上的富庶国家,在世界各地许多的战争地区也安置了这种铁质的武器。韩国与朝鲜之间有一条这样的边界,而在德国也曾有一个类似的地方。同样在美洲大陆,经济实力更强的歌利亚可以通过这种方式保护自己免受所谓实力更弱的大卫的侵害。

从他作品的发展来看。王璜生乐于使用带刺铁丝来创作是可以理解的。他对线条的创作是完美的——他可以用纤细的钢丝创作出三维作品,而“铁丝网”也被北美土著人民称为“魔鬼的绳索”。当这条魔鬼的绳索条进入美学世界时,艺术家对历史、暴力和苦难的描述将变得更有说服力,这是显而易见的。在2014年的《对话》作品中,这些铁丝网被驯服了。王璜生设计了两个由亚克力支撑起来的透明扶手椅,并把铁丝网困入其中。亚克力的外壳隔离了铁丝网带来的危险,但因为材料的透明属性,通过观察带刺的铁丝网来限制光滑的扶手椅表面带来的游移不定的舒适感,造成了一种原则性的威胁。

王璜生纪念碑式的作品《界》(6*3,4*2m图7)由几个部分构成。作品中装有带刺铁丝的多部分开放金属墙占据了整个空间,背景的噪音刮着耳膜。在这里,这件作品与空间完美的结合了:装置的视觉感受,在代表着不安的光线中移动的墙体,闪烁的阴影结构投影到对面的展墙上,刺耳的室内噪音沉浸在惨淡的灯光中。进入这个房间的人都会驻足停留。这是威胁的缩影,是卡夫卡式的背景,是一场噩梦。在我们富足的社会中很少有人会真实地体验到这种恐怖的艺术。通过这个装置,我们一下就穿越进了这个时代的历史。作为艺术基础之一的“美”,被令人震颤的心理冲击所取代了。

在另一个充斥着机械噪音的展厅中,展示的是作品《缠2》。几辆深灰色机械装置从内部向上推动空气,附着在铁丝网上的白色丝带随之飘动,这里充斥着制造工厂不可或缺的咆哮一般的噪音,就仿佛我们身处在机械制造大厅。尽管这些没有意义的器械看似非常可怕,但它们的威胁程度肯定已经被艺术家降低了。《缠》也可以用特异的方式来理解。这些装置让人想起祈求神灵的宗教仪式,只不过祈求的不是上帝或神灵,而是带刺铁丝网和跳着神秘舞蹈的丝带所展示的机械的力量。

王璜生艺术语言的普遍性显示在他作品的广博性之中。近年来,他的水墨作品变得更加强硬,在他的作品空间中,自由移动的细线或方形结构构成了像墙壁一样坚实的画面层。由红色纱布拓印完成的《箴·象》系列作品带有宗教特点,这让整个系列变得完整。动态是王璜生艺术作品的主要标志。线、点、面形成了一个有开放性出口的展示,例如在《痕·象》(图9)中那样。通常,我们不要求神实现我们的愿景,但是寻求设定的目标让人们可以在自己的历史中做出抉择。还是说,他只是一个复杂世界中的旅行者,只是现在史无前例地被赋予了重任呢?

2019年王璜生创作了《呼/吸》这一让人叹为观止的影像:画面聚焦在他工作室中——摆放在中央的氧气瓶、背景中的大幅图像、急促呼吸的杂音——在这样的背景下,艺术家在人造雾中手持鼓槌进入房间。他围绕着氧气瓶行走,巧妙地敲打着瓶体。在影像中途,音乐的出现让艺术家转换为一名舞者。这种富有表现力的舞蹈让人回味无穷,艺术家在短时间内处于催眠状态。音乐开始减弱,呼吸开始恢复,这也避免了晃动的氧气瓶摔倒在地的危险。影像节奏开始逐渐变慢,开头处出现在画面中心氧气瓶重新显现了出来,最后,在一声悠长的锣鸣中,影像结束了。从这部行为影像作品中,我们可以看到王璜生各方面的艺术造诣:清晰的结构、有节奏的动作、耐人寻味的设计,以及真实和虚拟线条的交织结合。

王璜生是自己作品中的表现演员。他给我们分享他的视觉创意和风景作品,因此尽管我们间存在东西方的差异,我们仍可以了解他的艺术并领悟到他的经验分享。这是一个共通的世界,我们彼此相遇,我们彼此分享。

Tayfun Belgin

2020/4


Wang Huangsheng

Verschmelzen mit den Linien


Eine zentrale Erkenntnis des deutschen Philosophen Hans-Georg Gadamer

(1900 – 2002) lautete: „In Wahrheit gehört die Geschichte nicht uns, sondern wir gehören ihr.“

Wir teilen diese Welt mit anderen, sie ist nie Privatwelt, sondern unsere gemeinsame. Wir bewegen uns in Sprachen und in Bildern. Unsere Erkenntnisse über die Welt erhalten wir durch Verständigung, durch die Fähigkeit, sich zu Kunst, Kultur, Politik oder Gesellschaft zu äußern. Alles Verstehen hat mit Sprachlichkeit zu tun, mit Einverständnis, mit dem Ziel gemeinsame Wege zu gehen. So kommt es geradezu zwangsläufig dazu, Erlebnisse zu haben und sie zu teilen. In diesen Momenten finden wir zu uns. Eine noch so entfernt scheinende Kunst wird verstehbar.

Wenn Wang Huangsheng seine diversen Werke, von den frühen Tuschearbeiten bis hin zu den Installationen in Ausstellungen präsentiert, so bringt er sehr unterschiedliche Techniken und Bildsprachen zusammen, die scheinbar einem gemeinsamem Code verpflichtet sind. Bei einer ersten Anschauung der Werke stellen sich Fragen ein, die das Gesehene, bisweilen rätselhaft erscheinende entschlüsseln wollen. Wang Huangsheng, Professor für Kunstgeschichte, Akademielehrer und Leiter von Museen äußert sich in allgemeiner Form zu seiner Kunst; wir erfahren, beispielsweise in einem Interview mit Chen Yang und David Elliot aus dem Jahr 2013, dass er die Malerei der Linie, die Kalligraphie als Basis für die chinesische und ebenfalls auch für seine Malerei sieht, ebenso für das Verhältnis zu Raum, zur Räumlichkeit in Bildern. Die intellektuellen Ressourcen sowie die eigentlichen Motivationen für die Produktion dieser Bilder stammen häufig aus der Geschichte, Kultur, Tradition und Realität Chinas. Immer wieder kehrt der Künstler auf bisweilen verschlungenen Pfaden zur Geschichte und zu seiner eigenen Tradition zurück.

Was hier in aller Allgemeinheit formuliert wurde, lässt sich an den Werken Wang Huangshengs – in distanzierter Betrachtung – verfolgen. Unser Blick richtet sich dabei weniger auf biographische Haltemomente, denn auf das Phänomen selbst.

Bis zum Jahr 2006 finden wir in seinem Werk eine Figuration, die sich an der großen Tradition chinesischer Tuschemalerei orientiert. In dem Bild (Abbildung 1) konfrontiert uns der Maler in einer zweiteiligen Arbeit auf Papier mit roten Mohnblüten, deren aufstrebende Stiele geradezu zu Bildheldinnen werden. Im linken Bereich ist es eine Blüte, im rechten zwei rot dominierende sowie eine schwarze Knospe. Sie ragen aus einem Gebüsch mit wirren Zweigstrukturen heraus, der Erdboden läuft entlang der unteren Bildkante. Im Hintergrund sehen wir eine hingehauchte gräuliche Zone, die einen Horizont andeutet.

Wir haben es in diesem Werk mit einer organischen Durchdringung von Natur zu tun, deren einzelne Elemente sich in ihrem Wachstum nicht aufhalten lassen. Diese in die Bilder übertragene Struktur des Wachsens scheint Wang Huangsheng nachhaltig interessiert zu haben, denn Arbeiten aus dieser Zeit verfolgen diese Entfaltung. Daher erscheint es auch schlüssig, dass diese Bildgestaltung in einem weiteren Schritt panoramatisch angelegt wird, wie die Arbeiten aus dem Jahr 2008 zeigen. In diesen Querformaten breitet der Maler eine dichte Naturwelt in zarter Tonalität aus. Das Sonnenblumenbild (Abbildung 2) ist ein herausragendes Werk, welches die dargestellten Figuren in eine abstrakte Ebene hebt. Die Köpfe der Sonnenblumen wandern nach links, der Sonne ausgerichtet, so kennen wir das aus der Natur. Der Rhythmus, der sich von der einen Seite zur anderen durchzieht, ist allerdings ungewöhnlich. Die Sonnenblumen schweben gleichsam durchs Bild, ihre Stämme haben keinen Bezug zur Erde, aus der sie herauswachsen. Und so gewinnt dieses Bild eine musikalische, rauschhafte Qualität.

Diese Abstraktionslinien schreibt Wang Huangsheng in den Jahren ab 2011 weiter, so dass sich der Bruch mit der sich wolkenhaft verändernden Figurenwelt vollzieht. In den „Moving Vision Series“ aus 2011 werden wir einer Bildwelt gewahr, die ein neues Sehen erfordert. Wir begegnen einer radikal formulierten Welt der Linie, die nichts mehr abbildet. Die Linie repräsentiert nur noch sich selbst. Diese Selbstbezüglichkeit erlaubt es Wang Huangsheng in eine Welt der Unendlichkeit einzutreten. Seine klassische Ausbildung als Tuschemaler gibt ihm die Möglichkeit, eine für sein Werk vollkommen neue Dimension meisterlich zu beginnen und bis heute – in diversen Ausprägungen – fortzuführen. Das zunächst zentriert angelegte Liniengeflecht entwickelt von Bild zu Bild diverse Spielarten, die Linien besetzen mal den Bildraum, mal scheinen sie ihn zu verlassen. Diese Freiheit wird auch in den nächsten Jahren weitergeführt, allerdings mit farblichen Akzentuierungen, mit Verdichtungen der Tusche im Geflecht selbst oder in seinem Hintergrund durch eine Art Wolkenstruktur. Das Schweben, das freie Spiel mit der Linie sind zentrale Themen dieser Serie. Umso beindruckender sind die skulptural anmutenden Verdichtungen noch im Jahr 2011 (Abbildung 3). In diesen beiden Werken, die den Anschein haben, dass die einmal begonnene Linie ohne Unterbrechung durchgezogen wurde, konzentriert der Maler seine Linienwelt. Auch hier ein Schwebezustand des Liniengeflechts mit einem Schatten andeutenden Boden als oppositionelle Figur.

Von gänzlich anderem Charakter sind die 2012 entstandenen Werke der Serie „Lines Visions“ (Abbildung 4) mit freiem Spiel der Linien, jedoch auf realitätsbezogenem Medium, der Zeitung. Die Texte dieser gedruckten Blätter aus China sind durch die Überlagerungen von verschiedenen Farbschichten (rot, blau, gelb, grün) kaum nachzuvollziehen, bestenfalls eine Headline. Das Zusammenspiel von Linie und gedrucktem Text ist spannungsvoll, da beide Medien im eigentlichen Sinn nicht zusammengehen. Zeitungen sind in ihren Nachrichten und Berichten autonome Organe, Linien sind ästhetischer Natur und somit Gestaltungselemente. Mit dieser Serie eröffnete sich der Zeichner eine Welt der Dualität, die Anklänge zur Tradition haben mag, das Fließende und das Statische bilden in ihrer Bezugnahme eine spannende Bildeinheit.

Wang Huangshengs Meisterschaft zeigt sich vor allem auch in den vierteiligen Arbeiten von „Moving Vision Series“ aus dem Jahr 2014 (Abbildung 5). Die dargestellten Linienstrukturen werden von Bild zu Bild gravitätisch geführt, es liegt nahe, von einem Einblick in eine kosmische Sphäre zu sprechen. Virtueller kosmischer Staub scheint in diese Welt der Tuschemalerei eingedrungen zu sein, sichtbar wird dies an den Linien selbst, die durch kleinste dunkle Farbpunkte Markierungen erhalten. Diese schwebende Leichtigkeit durchbricht Wang Huangsheng durch seine dreidimensionalen Arbeiten mit Stacheldraht auf eindringliche Weise (Abbildung 6).

Wang Huangshengs dreidimensionale Werke von 2014 bis heute sind von einer optischen Lautstärke geprägt, zu der bisweilen Lärmelemente hinzukommen. Allein die Beschäftigung mit Stacheldraht, hier: Nato-Draht, lässt zunächst erstaunen. Zur Symbolik dieses Materials bedarf es keiner großen Erklärung, da die Menschheitsgeschichte unendliche Beispiele von Gewalt mit Stacheldraht aufweist. Diese visuelle Waffe richtet sich nicht nur im europäischen Raum gegen das Eindringen von Flüchtlingen in die wohlhabenden Länder dieses Kontinents. Zugleich erleben wir in den letzten Jahren Kriegsschauplätze in vielen Teilen der Welt, in der diese eiserne Waffe eingesetzt wird. Die Grenze, die die nordkoreanische von der südkoreanischen Bevölkerung trennt, hatte eine Entsprechung im geteilten Deutschland. Auch auf dem amerikanischen Kontinent schützt sich der wirtschaftlich stärkere Goliath gegen den vermeintlichen schwächeren David.

Wang Huangshengs Interesse Nato-Draht in seinen Werken einzusetzen, ist mit Bezug auf sein Werk ikonographisch nachvollziehbar. Die Malerei der Linien hat Wang Huangsheng zur Vollkommenheit gebracht, eine Übersetzung der Linie in die Dreidimensionalität mag mit feinem Draht oder mit der Teufelsschnur (devil´s rope), so wie die indigenen Völker Nordamerikas den Stacheldraht nannten, realisiert werden. Das Erzählen von Geschichte, von Gewalt und Leiden, wird sicherlich eindringlicher, wenn diese Teufelsschnur Eingang in die ästhetische Welt erhält. Die Konnotation ist eindeutig. In der Serie „Talking“ aus dem Jahr 2014 sind die Drahtgeflechte noch gebändigt, da sie das Innere von zwei durchsichtigen großformatigen Sesseln aus plastischem Material ausgestalten. Die Gefahr ist gebannt durch die Außenhaut, durch ihre Transparenz wird ein gemütliches Verweilen auf der Fläche der Sessel durch Inaugenscheinnahme des prinzipiell bedrohlichen Stacheldrahts eingeschränkt.

In dem für Wang Huangsheng monumentalen Werk „Bounds“ (6 x 3,4, x 2 m, Abbildung 7) werden mehrteilige, in ihrem Inneren mit Nato-Draht ausstaffierte offene Metallwände bei diffusem Licht im Raum mit einer die Ohren ankratzenden Geräuschkulisse hin- und her bewegt. Das synästhetische Spiel ist perfekt: die Installation ist eine optische Sensation mit bewegten Wänden in bedrohlichem Licht, mit flackernden Schattenstrukturen an der gegenüberliegenden Ausstellungswand, kreischende Geräusche im Raum, der in ein fahles Licht eingetaucht wird. Wer diesen Raum betritt wird innehalten. Er ist ein Inbegriff für Bedrohung, eine kafkaeske Kulisse, eine Art Albtraum. Wenige Menschen in unseren Wohlstandszirkeln haben diese Art von Grauen selten realiter erlebt. Mit dieser Installation werden wir in die Zeitgeschichte hineinkatapultiert. Das Schöne, die Kunst in ihren Grundfesten, ist aufgehoben zugunsten einer schockartigen psychischen Erschütterung.

Ein weiterer Raum mit Maschinengetöse erwartet uns in der Arbeit „Haunts2“ (Abbildung 8). Mehrere dunkelgrau-metallene Wagen pressen Luft aus ihrem Inneren nach oben, wo weiße Bänder, die an eine Stacheldraht-Skulptur befestigt sind, sich hin und her bewegen. Es ist ein Dröhnen wie in einer Maschinenfabrikhalle, in der für die Industrie benötigte Komponenten hergestellt werden. Der Grad der Bedrohung hat sicherlich abgenommen, unheimlich bleiben diese sinnlos erscheinenden Apparaturen trotzdem. „Haunts“ lässt sich mit Spuk adäquat übersetzen. Die Installation erinnert an Rituale, die Beschwörungen dienen. Nicht Götter oder Gottheiten sind präsent, sondern die Macht der Maschine, die Stacheldraht-Skulpturen mit den Bändchen vollziehen imaginäre Tänze.

Die Universalität der Sprache Wang Huangsheng versteht sich als gemeinsamer Nenner seiner Werke. Die Tuschearbeiten der letzten Jahre bevorzugen eine härtere Bildsprache, Mauer formende Schichtungen von Balken werden ebenso in Szene gesetzt wie frei sich im Bildraum bewegende Striche oder Quadrate. Eine Serie von roten Balken: „Metaphor Vision“, die für imaginäre Zeichen stehen könnten, vervollständigt diese Serie. Bewegung ist konstitutiv für die Kunst Wang Huangshengs. Linien, Punkte, Quadrate stellen sch einem kompositionellen Spiel mit offenem Ausgang, beispielsweise in der Serie: „Tracing Visions“ (Abbildung 9). Visionen haben in aller Regel keinen Anspruch auf Erfüllung, doch der Anspruch, das Suchen nach gesetzten Zielen lässt den Menschen in seiner Geschichte handeln. Oder ist er doch nur ein Mitläufer in einer komplexen Welt, die heute auf ihm lastet, wie in keiner geschichtlichen Zeit vorher?

2019 realisierte Wang Huangsheng den Film: „Breathe In/Out“, der in bestem Sinne atemberaubend ist: Eine Szene in einem Atelierloft, Sauerstoffflaschen im Mittelpunkt, großformatige Bilder im Hintergrund, Atemgeräusche aus dem Off, der Künstler betritt in einem künstlichen Nebel den Raum mit Schlagzeugstöcken in den Händen. Er bewegt sich um die Sauerstoffflaschen, schlägt kunstvoll gegen sie, eine einpeitschende Musik beginnt ab der Hälfte des Films, die den Künstler zum Tänzer werden lässt. Dieser Ausdruckstanz hat etwas beschwörendes, der Künstler ist für eine kurze Zeit in einer Art Trance. Die Gefahr eines Abgleitens wird gebannt durch die Zurücknahme der Musik und das wiedereinsetzende Atmen, die Rhythmik wird zurückgenommen, am Ende wird die eingangs sichtbare Sauerstoffflasche wieder in den Mittelpunkt gerückt, ein letzter gongartiger Schlag – Ende. Ein performatives Werk, in dem Aspekte der Kunst Wang Huangshengs ansichtig werden: eine definierte Struktur, Bewegungsabläufe, spielerische Gestaltung, eine Choreographie realer und virtueller Linien.

Wang Huangsheng ist ein ausdrucksstarker Akteur seiner Werke. Er lässt uns unmittelbar teilhaben an seinen Bildideen sowie seinen szenischen Werken, so dass wir trotz unserer Ost-West-Distanz zu einem Verständnis seiner Kunst gelangen und unsere Erlebnisse teilen können. Es ist eine gemeinsame Welt, in der wir uns begegnen und erleben.


Tayfun Belgin

April 2020

2023-10-04

2023-10-04